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   ALUMNI REVUE - JULI 1997
       

    
    
 

Alma Mater


Magier Mesopotamiens

Leibniz-Preis für den Keilschriftexperten Prof. Stefan M. Maul, Assyriologie

Stefan Maul liebt Pflanzen, besonders dann, wenn sie von Nutzen sind, wie die Gemüse und Gewürze, die er auf dem heimischen Balkon zieht. Ausgesprochen ärgerlich wird der 38jährige Assyriologe allerdings, wenn man seine Disziplin als "Orchideenfach" belächelt - gilt die Orchidee doch als ein zwar hübscher, aber nutzloser Schmarotzer. "Die Assyriologie wird kolossal unterschätzt. Eine Universität , die historische Disziplinen als konstitutiv empfindet, darf auf dieses Fach nicht verzichten." Der Erfolg gibt ihm recht: Stefan Maul erhielt den mit drei Millionen Mark dotierten Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), als einziger Geisteswissenschaftler unter 14 Preisträgern. "Ich wollte nie ein Schreibtischtäter werden", bekennt Prof. Maul, der sich zunächst der Archäologie verschrieb. Sein Werdegang indes weist den gebürtigen Rheinländer als zugleich zielstrebig und interdisziplinär denkend aus . Nach dem Studium der Archäologie und Altorientalistik in Göttingen 1987 promoviert, habilitierte er sich 1993 in Berlin, wirkte dann als Dozent in Paris, bevor er 1995 als Ordinarius an die Heidelberger Universität kam.

Die Assyriologie (besser: Altorientalistik) ist ungeachtet ihres Forschungsgegenstandes eine relativ junge Disziplin. Sie beschäftigt sich mit den Sprachen und Kulturen des Zweistromlandes. Hier wurde gegen 3200 v. Chr. erstmals in der Menschheitsgeschichte eine Schrift entwickelt: die Keilschrift. Sie bestand aus Wort- und Silbenzeichen , die man mit einem Griffel in noch plastischen, zu Tafeln geformten Ton drückte. "Wer sich für Geschichte interessiert, wird in den Keilschrifttexten die ältesten soziologisch, staatsrechtlich, religions- und ideengeschichtlich sowie naturwissenschaftlich bedeutsamen Quellen finden", erzählt Prof. Maul. Die Tafeln waren zwar zerbrechlich. Aber Ton gehört mit Stein und Gold zu den dauerhaftesten Materialien. "Während die Bibliothek von Alexandria verbrannte und mit ihr ein großer Teil des Wissens der klassischen Antike verloren ging, blieben altorientalische Texte aus nahezu allen Bereichen des Lebens erhalten." Diese versunkenen Schätze im Schutt der alten Städte Mesopotamiens werden seit knapp hundert Jahren nach und nach gehoben. Der Schlüssel zum Verständnis liegt in der Keilschrift und in den durch sie überlieferten Sprachen. Neben dem Sumerischen, das seit 4000 Jahren nicht mehr gesprochen wird, sind dies vor allem die semitischen Sprachen der Babylonier und Assyrer. Der erste, meist mühsame Schritt im Studium der Assyriologie: Die Studenten müssen die Keilschriftzeichen und ihre vielfältigen Bedeutungen erlernen. Dazu gehört auch, die Schrift nachzuzeichnen und von den Tontafeln maßstabsgetreue Kopien anzufertigen. Detektivischen Spürsinn, Akribie und Zähigkeit erfordert die Rekonstruktion der Texte aus einer Vielzahl zerbrochener Tafelfragmente - ein Puzzlespiel, das Jahre dauern kann. Dennoch herrscht ein weltweit großes Interesse an dieser Disziplin in der die deutsche Forschung übrigens traditionell dominiert. Heidelberg ist eines der Keilschriftzentren, und Stefan Maul zählt derzeit Spanier, Briten und Japaner zu seinen Schülern. "Momentan betreue ich vier Doktoranden und vier Habilitanden", berichtet der Ordinarius, "und in diesem Semester kommt eine Humboldt-Stipendiatin aus Birmingham ins Seminar." Mehr als vierzig Studierende sind derzeit in Assyriologie eingeschrieben, aber in Stefan Mauls Vorlesungen tummeln sich oft weit mehr Hörer - ein Zeichen dafür, daß der junge Professor mit seinem "alten" Fach zu fesseln weiß. "Ich will nicht bei der reinen Philologie stehenbleiben. Mich interessiert die inhaltliche Dimension, der kulturgeschichtliche Hintergrund", wirft er ein. Kein Wunder, daß sich seine Habilitationsschrift mit magischen Ritualen in den alten Kulturen des Zweistromlands befaßt. Der vielsagende Titel: "Zukunftsbewältigung". Wie sieht Stefan Maul die eigene Zukunft? "Ich möchte das Heidelberger Seminar zum einem Zentrum der Altorientalistik ausbauen." Der Leibniz-Preis dient dabei als Fundament für ein ehrgeiziges Projekt: die riesige Fachbibliothek des "Beschwörers" Kisir-Assur wieder erstehen zu lassen, der am Hof des letzten großen assyrischen Herrschers Assurbanipal (669-627 v. Chr.) wirkte. Die "Beschwörer" gehörten zu den einflußreichsten Männern im Staat, waren Magier, Priester, Ärzte und politische Berater zugleich, wie Prof. Maul nach erster Durchsicht der Tafeln feststellte. Sie hatten die Aufgabe, mittels Magie und Ritual den Herrscher vor Unbill zu bewahren und die Ordnung in der Welt aufrecht zu erhalten. Die Tontafeln des Kisir-Assur sind zum großen Teil im Berliner Pergamon-Museum erhalten. Sie mit Hilfe von Photoarchiv und Datenbank in Heidelberg zu archivieren und die Texte dann philologisch zu erschließen sind die Ziele, die sich Stefan Maul gesteckt hat. In seiner ausdauernden Suche nach Erkenntnis weiß er sich dem Magier Mesopotamiens verbunden.

Peter Saueressig

 


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Heidelberg, den 23. Mai 2003