Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Alumni Spotlight

Martin Zinke-Allmang, Kanada

Wissenschaft des Lebens

 

Können Delfine hören? Wenn ja, was? Und vor allem: warum? Fragen wie diese lassen sich nicht beantworten, wenn man sich auf Erklärungsansätze einer Wissenschaft beschränkt. Martin Zinke-Allmang ist eigentlich Physiker. Die haben selten große Schwimmbassins in ihren Laboratorien stehen, und doch steht das Wie und Warum der akustischen Fähigkeiten von Flippers Verwandten ganz am Anfang seines neuen Buches "Physics for the Life Sciences".

Martin Zinke-Allmang ist Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Studien für chemische Physik an der University of Western Ontario in Kanada. Geboren ist Zinke-Allmang in Heidelberg, aufgewachsen im nahen Bad Dürkheim. Zuerst wurde ihm von der Studienvergabestelle ein Platz in Rheinland-Pfalz zugewiesen: "Die haben mich dahin geschickt", erinnert er sich immer noch ein bisschen ungehalten. Schon sein Vordiplom erarbeitete er sich in Heidelberg - und blieb der Stadt bis zum Ende seiner Ausbildung treu. Sechs Jahre später, 1985, promovierte er am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik. Worüber? "Im Bereich der angewandten Kernphysik - wir untersuchten dabei Halbleiterphänomene." In solchen Augenblicken, wenn sich das Gespräch fachlichen Fragen nähert, merkt man, dass Martin Zinke-Allmang sofort einen längeren Vortrag über "feste dünne Filme" und seine Forschungen zu molekularen Strukturen halten könnte - aber darauf verzichtet, wenn er merkt, dass die Physikkenntnisse seiner Gesprächspartner etwas eingerostet sind. Vielleicht ist es dieser Blick für die Welt außerhalb seines Faches, der es ihm ermöglichte, ein Physiklehrbuch für Studierende zu schreiben, die sich zwar mit der Materie auseinandersetzen wollen, aber ihren Schwerpunkt in anderen Fachrichtungen haben: Biologie, Medizin, Physiologie. "Ich war schon vor dem Buch interdisziplinär interessiert", erzählt Martin Zinke-Allmang. Schon im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit habe er Interesse für die Forschung mit biologischen Materialien - aus nur wenigen chemischen Elementen zusammengesetzte, aber extrem komplexe Strukturen - entwickelt. Als er später, Anfang der neunziger Jahre, an der University of Western Ontario eine Stelle annahm, fand er eine Universität mit dem Schwerpunkt Life Sciences vor - "ähnlich wie heute in Heidelberg", wie Zinke-Allmang hinzufügt. 1996 avancierte er zum Full Professor.

Zu Hause in Kanada

Seine heutige Heimat hat sich Martin Zinke-Allmang aus Überzeugung gewählt. Inzwischen fühlt er sich dort ganz heimisch - auch wenn, spricht man länger mit ihm, der pfälzische Dialekt zunehmend stärker durch seinen englischen Akzent durchdringt. Zuvor hatte er in den USA bei Bell Laboratories und im nordrhein-westfälischen Forschungszentrum Jülich gearbeitet und geforscht. Mit der Entscheidung, sich in Kanada niederzulassen und dort seine Karriere voranzutreiben, sei er bis heute zufrieden: "Die University of Western Ontario bot mir Möglichkeiten, die ich in Deutschland so nicht hatte." In den USA habe er sich nie so zu Hause gefühlt wie in London, das im Südwesten Ontarios liegt, wo er heute mit seiner Frau und seiner Tochter lebt. Ein Sohn studiert im für kanadische Verhältnisse nahen Waterloo.

Die Nachricht von der Gründung des Alumni-Clubs im amerikanischen Nachbarland weckten die Neugier von Martin Zinke-Allmang. "So etwas müsste es auch in Kanada geben!", meint der Physiker, und fängt an, abzuwägen: Die große Ausdehnung des Landes sei vielleicht ein Problem, weil die Alumni geografisch weit verstreut seien? Andererseits sei gewiss Interesse vorhanden. Ob sich die kanadischen Ehemaligen zunächst einmal in Toronto treffen sollten?

Schwierigkeiten zu erkennen und Lösungen zu finden, das ist auch Zinke-Allmangs Triebfeder bei seiner Arbeit an der Universität. Die Prüfungsordnung verlangt dort auch von Biologie- und Biochemiestudenten die Teilnahme an Physikkursen, um sie von Anfang auf interdisziplinäre Arbeitsweisen vorzubereiten. "Da stellte sich heraus, das kein aktuelles Lehrbuch in englischer Sprache für diese Zielgruppe existiert", erinnert sich Zinke-Allmang. "Die einführende Literatur, die es gibt, ist 30 Jahre alt oder hat ihren Schwerpunkt bei den Ingenieurs-, nicht bei den Biowissenschaften." "Physics for the Life Sciences" sei daher im Rahmen dieser Kurse entwickelt worden - und Zinke-Allmang lernte so auch für ihn ganz neue Forschungsfelder kennen. "In den letzten zehn Jahren habe ich mehr über Biologie und Physiologie gelesen als in Physikbüchern", meint Zinke-Allmang.

Und die Delfine? Die können tatsächlich hören. Martin Zinke-Allmang zeigt über die Beschäftigung mit dem Gehör der Meeressäuger, dass Methoden der Physik bei Untersuchungen aus der Biologie nützlich sein können - und sogar spannend.

 

Gabriel A. Neumann

 

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Stand: 10. Juli 2008
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