Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Alma Mater

"Spannend wie ein Krimi"

Komplizierte Vergangenheitsbewältigung: Universität gibt Bücher-Schenkung aus nationalsozialistischer Zeit zurück

 

Die systematische Plünderung von (Kunst-)Schätzen jüdischer Bürger zwischen 1933 und 1945 ist in all seinen Facetten noch längst nicht aufgearbeitet, zumal es bis heute immer wieder neue Funde gibt. Während die Aufdeckung dieser kriminellen Praxis im Bereich der Bildenden Kunst zumindest recht fortgeschritten ist, sind Bücherraub-Aktionen der Nazis noch ein eher unerforschtes Gebiet. Immerhin, 1999 wurden deutsche Bibliotheken durch eine Erklärung von Bund, Ländern und Kommunen dazu verpflichtet, "zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts" beizutragen. Seitdem werden die Bestände diesbezüglich auch genauer unter die Lupe genommen. Wie kompliziert die Dinge dabei aber manchmal liegen können, hat sich jetzt in Heidelberg herausgestellt.

 

Der Historiker Professor Frank Engehausen war im Zuge eines Forschungsprojekts darauf aufmerksam geworden, dass eine wertvolle spätmittelalterliche Handschrift ("Der Herzog von Braunschweig") sowie einige Inkunabeln 1936 beziehungsweise 1941 per Schenkung in die Heidelberger Universitätsbibliothek gelangt waren, und zwar aus dem Besitz der Von-Portheim-Stiftung, die 1919 von dem Mineralogie-Professor Victor Goldschmidt ins Leben gerufen und der später wegen seiner jüdischen Herkunft als Hochschullehrer beurlaubt worden war. Die heute noch existierende Stiftung hatte die Aufarbeitung ihrer Geschichte bei Engehausen in Auftrag gegeben. Das Rektorat der Ruperto Carola noch unter Professor Peter Hommelhoff unterstützte dieses Vorhaben nachdrücklich - nicht zuletzt, um dem möglichen Vorwurf entgegenzutreten, ein Teil der heutigen Sammlung der Universitätsbibliothek beruhe auf Bereicherung.

 

Engehausens Untersuchungen ergaben nun, dass die erwähnten Schenkungen an die Universität zumindest "anstößig" waren, so der Historiker. Auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz erläuterte er, dass Victor Goldschmidt nach Gründung der Stiftung zwar eng mit der Universität kooperiert, er aber stets die Autonomie gegenüber der Ruperto Carola betont habe. Deshalb fanden sich im Kuratorium der Stiftung Universitätsangehörige auch in der Minderheit. Das allerdings änderte sich nach dem Tod Goldschmidts 1933. In der Folgezeit gaben (politisch zuverlässige) Mitglieder der Universität den Ton im Kuratorium an, das schließlich auch die Schenkungen genehmigte: neben den erwähnten Schriften gingen bis 1945 noch zahlreiche weitere Besitztümer aus der Portheim-Stiftung als Leihgaben an die Universität (darunter beispielsweise eine volkskundliche Lehrschau), die aber heute als verschollen gelten.

 

Diese gewissermaßen widrigen Begleitumstände veranlassten die Universität Heidelberg jetzt, die Inkunabeln sowie die Handschrift an die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst wieder zurückzugeben. Deren aktuelles Kuratorium unter Leitung ihres Vorsitzenden, Dr. Jobst Wellensiek, zeigte sich daraufhin sehr generös. Denn zur großen Freude der Ruperto Carola hat sich die Portheim-Stiftung bereit erklärt, die wertvolle Handschrift sowie die Inkunabeln weiterhin auf Leihbasis der Universitätsbibliothek zur Verfügung zu stellen. Eine von beiden Seiten unterzeichnete Vereinbarung erstreckt sich auch über Stücke aus der Portheim-Stiftung, die eventuell noch gefunden werden, und garantiert ihr, dass sie jederzeit ihre Ansprüche als Eigentümer geltend machen kann. Der umfassende Bericht von Frank Engehausen zur "Geschichte der Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst von 1919 bis 1955" so Dr. Wellensiek, "ist spannend wie ein Krimi." Er soll Anfang 2008 in der "Schriftenreihe der Stadt Heidelberg" publiziert werden.

 

Oliver Fink

 

zum Seitenanfang
Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten: Philippe Bayer
Stand: 6. Januar 2008
Services
Nr. 19 / Winter 2007/2008
Titelseite Alumni Revue Winter 2007/2008
Weiterlesen