Am Rande bemerkt
Ein leerer Bauch studiert nicht gern
75 Jahre Mensa
Ob streitlustige Juristen oder sanfte Psychologen, langhaarige Männer oder kurzhaarige Frauen, eher linke Birkenstockträger oder konservative Aktenkofferträger - in der Schlange vor den Essenstöpfen der Mensa kennen alle nur noch einen Gedanken: Hunger. Das ist schon seit 75 Jahren so. Zum Jubiläum der Heidelberger mensa academica ein kleiner Rückblick:
Im Januar 1919 mahnt der Ausschuß der Studierenden: "Das dringendste Erfordernis ist aber zunächst die Lösung der Ernährungsfrage." Mit knurrendem Magen ist nicht gut studieren, erkannte auch die Universitätsleitung und ließ das Zeughaus im Marstallhof umbauen. Am 27. Mai 1921 wanderte die erste Mahlzeit für die Studierenden der Ruperto Carola über den Tresen. Die ambitionierte Küchenchefin Hedwig Neumeyer mußte sich jedoch bald wegen ihrer unwirtschaftlichen "Cultur des Speisezettels" rügen lassen, hielt aber dagegen: "...wer gestern das Glück unserer Studenten über Pfannkuchen, die größer wie der Teller waren, gesehen hat, der weiß, daß unser Weg der richtige war."
In den Kriegsjahren verköstigt die Mensa, die seit 1933 dem Studentenwerk untergeordnet ist, die hungernde Bevölkerung, später auch Kriegsheimkehrer und Vertriebene. Die Not der Studierenden ist groß. Anfang 1947 meldet sich die Hälfte krank. In den Jahren danach wächst mit der Knappheit der finanziellen Mittel auch die Raumnot. Studenten essen zu Beginn der 50er Jahre im Stehen, 1955/56 werden die Vorlesungszeiten gestaffelt, um den Stoßbetrieb in der Mensa aufzufangen. Zwar wird die Mensa im Marstall ausgebaut, doch es bleibt eng.
Nach einer Übergangslösung im Klausenpfad öffnet 1976 die Zentralmensa im Neuenheimer Feld ihre Kochtöpfe für die hungrigen Studenten, 1978 kommt die Triplex-Mensa hinzu. Im Universitäts-Jubiläumsjahr 1986 wird die Marstallmensa saniert und das "Studihaus" mit Cafeteria eingeweiht. Die Cafes gewinnen in den nächsten Jahren beständig an Attraktivität, denn gerade erwerbstätige Studenten gehen nicht mehr regelmäßig mittags essen.
Heute verkaufen alle Mensen zusammen 1,9 Millionen Mahlzeiten im Jahr. Da die Studenten wählerischer geworden sind, gibt es seit Sommer 1995 Komponentenessen, das man sich selbst zusammenstellen kann. Damit nicht nur die Mägen, sondern auch die Geldbeutel der Studenten gefüllt bleiben, bezuschußt das Land jedes Essen (ä 3,40 Mark) mit 4,30 Mark. Und weil das Studentenwerk gerne auch was Neues ausprobiert, können Pastabegeisterte seit diesem Wintersemester in der "Italienischen Mensa" im Marstall essen.
Sonja Striegl
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