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   ALUMNI REVUE - MÄRZ 2005
       

    
    
 

Heidelberger Splitter


Geträumte Texte

Autor Patrick Roth leitete die 11. Poetik-Dozentur

Sonnenuntergang über dem Heidelberger Marktplatz. Egal, wie wir - alles Leute mit Stiften in der Hand - uns um den Tisch setzen, die tief stehende Sonne scheint uns immer in die Augen. Eigentlich sitzen wir auch nicht an einem Tisch, sondern um ein riesiges Leberkäsebrötchen herum. Der Marktplatz verwandelt sich plötzlich in einen hausgroßen, schrill summenden Kühlschrank auf Rädern. Das Sirren wird lauter und weckt mich auf. Ich greife zum Diktaphon.

So ähnlich könnte eine Materialsammlung aussehen, die nach dem Konzept des Autors Patrick Roth entstanden ist. Roth leitete im Rahmen der Baden-Württembergischen Literaturtage, die im vergangenen Herbst in Heidelberg stattfanden, die elfte Poetik-Dozentur an der Universität Heidelberg. Der in Freiburg geborene Autor und Filmemacher, der seit 1975 in Los Angeles zu Hause ist und in Deutschland mit Büchern wie "Riverside" oder "Starlite Terrace" zahlreiche Literaturpreise erhielt, stellte einem breiten Publikum seine Schreibtechnik vor. Wir trafen Patrick Roth auf dem Heidelberger Marktplatz in einem Café neben einem Kühlwagen, bei tief stehender Sonne, der Literat ein Fleischbrötchen verzehrend. Alles Dinge, die nun möglicherweise in das nächste Buch Roths einfließen, denn der Autor nutzt Erinnerungen, die er an assoziative Träume hat, als Quelle für seine Erzählungen, Geschichten und Filme. Sein wichtigstes Werkzeug sei ein Diktaphon, erklärt er: "Wenn Sie einen Traum haben und aufwachen, dürfen Sie kein Licht machen, keinen Bleistift benutzen, nur ein Diktaphon greifen, denn es muss sehr einfach gehen. Das Gesprochene muss keinen Sinn machen, sprechen Sie einfach ohne Punkt und Komma. Und: Danach werden Sie herrlich weiterschlafen - das Unbewusste sagt Ihnen ‚Message empfangen'", meint Roth. Seine Bücher sind dennoch keine erzählerischen Flickenteppiche aus assoziativen Erinnerungsfetzen. Roth versucht, auf diese Weise mit dem Unbewussten in Kommunikation zu treten.

Roths dreiteilige Poetik-Vorlesung versteht sich als Fortsetzung seiner Frankfurter Vorlesungen an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität aus dem Jahr 2001. In Heidelberg stellte sich der Autor Fragen zu seiner Art des Schreibens, die der Psychologie nahe steht: Was geschieht mit dem aus den Tiefen der Seele heraufgezogenen Fund im Licht des Bewusstseins? Und was macht der Stoff mit seinem Autor: Kommt er der souverän planenden, selbstkontrollierten Künstlerpersönlichkeit nicht permanent in die Quere? So ist die Heidelberger Poetik-Dozentur ein innovativer Beitrag der Universität zur Literaturwissenschaft: Um ihn einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen, sind Videoaufnahmen der Vorlesungen und begleitende Dokumente zu Werk und Autor auf einer Internetseite des Germanis­tischen Seminars abrufbar. Vielleicht schlafen inzwischen mehrere seiner Hörer mit einem Diktaphon auf dem Nachttisch.

Die Poetikdozentur im Internet: https://www.gs.uni-hd.de/poetik/

Gabriel A. Neumann

 


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Heidelberg, den 22. März 2005