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   ALUMNI REVUE - DEZEMBER 1998
       

    
    
 

Heidelberger Splitter


Wo Brahms Bohnen mahlte, als Bunsen den Brenner erfand

Ein etwas anderer Stadtspaziergang

Soviel Unglück in Heidelberg! Es ist das Nach-Revolutionsjahr 1849, und Gottfried Keller, der Dichter, verliebt sich in Johanna Kapp, die Politikertochter. Die ist aber viel faszinierter von Ludwig Feuerbach, dem Philosophen, der wiederum mit Keller, besagtem Dichter, freundschaftlich verbunden ist. Ach! Oder, 13 Jahre früher, Friedrich Hebbel. Er sehnt sich nach der Geliebten in Hamburg, ist angeödet vom Studentenleben. Heidelberg sei "trist" befindet er. Und doch bricht hier sein literarisches Talent hervor. Hebbel trifft die Entscheidung seines Lebens: gegen die Liebe und für das Schriftsteller-Dasein.

Man darf davon ausgehen, daß dies in der "Unteren Straße" geschah, Hebbels Bleibe, wo sich heute fröhliche und traurige Kneipengänger treffen und bestimmt nicht auf die dunkle Tafel an der Hauswand achten: "In diesem Hause hat der Dichter Christian Friedrich Hebbel ...1836 ... gewohnt." Sie ist eine von rund 200 Gedenktafeln, die garantiert unauffällig an Künstler und Gelehrte der Stadt erinnern. Was diese Herren und es sind leider fast nur Männer - in Heidelberg erlitten, erfunden und erlebt haben, davon würden die Tafeln allerdings auch dann nichts erzählen, wenn man sie entdecken würde.

Das machen jetzt die beiden Journalisten Jürgen von Esenwein und Michael Utz, die für ihr Buch "Folg' ich meinem Genius" dem Wirken der zahlreichen Berühmtheiten, die in Heidelberg Station gemacht haben, nachspürten. Obwohl nicht als Stadtführer konzipiert, lädt das Buch doch zur Wanderung durch Heidelbergs Straßen und Geistesgeschichte ein. Auch aus der Ferne! Eine kleine Karte führt, im Fall eines Aufenthalts in Heidelberg, zu den Orten, an denen die Tafeln hängen. Wer die Episoden der Geistesgrößen vorher intensiv studiert hat, kann bei einem Rundgang stolz von jenen Geschichten berichten, die vielen anderen Besuchern und selbst Einheimischen bislang verborgen blieben: Wer war zum Beispiel Robert Bunsen? Die kleine spontane Umfrage vor der Bunsenstatue in der Fußgängerzone ist von gegem Erfolg gekrönt: "Weiß ich nicht, ich bin nicht von hier", ist zu hören oder "irgendwas mit Chemieunterricht". Manche erinnern sich immerhin an den Bunsenbrenner, den Herr Bunsen denn auch tatsächlich erfunden hat. Viel spektakulärer aber war eine Entwicklung, die er mit dem Physiker Gustav Kirchhoff gemacht hat. Die "Spektralanalyse" markiert den Beginn der Chemie und Physik des Weltalls. Die Autoren berichten davon und weisen gleichzeitig darauf hin, daß es sich hierbei um ein gefährliches Abenteuer handelte, bei dem das Labor in der Plöck des öfteren in Flammen stand. Wer wollte diese Information missen?

Und überhaupt! So viele Berühmtheiten haben in Heidelberg ganz Menschliches erlebt, an der Universität Querelen ausgefochten, erschütternde Gedichte geschrieben, dramatische Entscheidungen getroffen, in den eigenen Abgrund geblickt oder die sowieso skeptische Umgebung entsetzt. Das will man doch auch wissen! Daß Hegel etwa, für Philosophiestudenten ohnehin ein schwerer Brocken, auch äußerlich Anlaß zum Schlucken gab. Wir lesen: "So ging er einst über den Platz zum Universitätsgebäude, nachdem ein tüchtiger Regen die Erde aufgeweicht hatte. Ein Schuh blieb im Kot stecken. Er ging aber weiter, ohne den Defekt zu bemerken." Hegels Fuß im Dreck! Oder Johannes Brahms, der Schelm. Er bedankte sich einen Sommer lang für die äußerst gelungenen Pfannkuchen einer Wirtin im heutigen Stadtteil Ziegelhausen mit einem Klavierspiel. Bei einer anderen Wirtin mahlte er gar die Kaffebohnen selbst.

Dann Robert Schumann. Der war dermaßen inspiriert, daß er im Neckarstädtchen seine ersten Kompositionen schrieb und sogar das einzige Mal öffentlich konzertierte. In Heidelberg war's!

Man munkelt ferner, daß Eichendorff im Stadtteil Rohrbach eine unglückliche Liebe erlebte, die in dem bekannten Lied vom zerbrochenen Ringlein gipfelte: "In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad." Endlich kennen wir den Hintergrund.

Fast möchte man meinen, daß es auch Goethe ohne Heidelberg zu nichts gebracht hätte. Er war häufig hier zu Gast. Während seines letzten Besuchs, dem achten, lernte der damals 65jährige die 30jährige Marianne von Willemer kennen. Goethe, in Liebesdingen bekanntermaßen versiert, erhält einen kräftigen Produktivitätsschub. Sein berühmtes Gedicht vom Ginkgobaum, der noch heute im Schloßpark steht, soll in dieser Phase entstanden sein. Die Autoren resümieren: "Der für die deutsche Literatur so folgenreiche Spaziergang im Schloßgarten hat nicht nur aus botanischen Gesprächen bestanden." Woraus noch, kann man sich selbst ausdenken, wenn man jene Stelle aufsucht...

Sonja Striegl

Jürgen Esenwein, Michael Utz:
Folg' ich meinem Genius...
Gedenktafeln berühmter Männer und Frauen in Heidelberg
1998. 263 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen
Mit Orientierungsplan. Gebunden
Universitätsverlag C. Winter
Programm "Heidelberger Verlagsanstalt"

 


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Heidelberg, den 18. Juli 2003