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   ALUMNI REVUE - MÄRZ 2005
       

    
    
 

Titel


Wo die Universität zu Hause ist

Heidelberg, die Universität und ihre Gebäude

Eine Hochschule ist eine Stätte der Lehre und Forschung, Platz des wissenschaftlichen Diskurses und Heimat von Ideen. Um all diesen Funktionen den geeigneten Raum zu geben, muss eine Universität auch Baumeister sein. Die Ruperto Carola blickt auf eine lange Tradition zurück: Einige hundert Jahre schon prägt sie das Stadtbild Heidelbergs. Dass Tradition aber in Heidelberg alles andere als Stillstand bedeutet, zeigt gerade die Geschichte der Gebäude von Universität und Stadt Heidelberg. Mag es an der besonderen Lage der Stadt zwischen den Hügeln im schmalen Neckartal liegen, sei es, dass der "lebendige Geist" der Alma Mater immer wieder die Art der Nutzung ihrer Gebäude zum Politikum werden ließ: Veränderung ist die Konstante in den Heidelberger Gebäudegeschichten. Ein Spaziergang zu einigen Bauwerken der Ruperto Carola zeigt auf greifbare Weise die stetige und nie abgeschlossene Entwicklung zu einer besonderen Universitätsstadt, die mehr ist als nur eine Stadt mit einer Universität.

Bibliothek in der Kirche

Die ältesten Gebäude, die mit der Universität in Verbindung gebracht werden können, sind die Kirchen Heidelbergs: Die Heiliggeistkirche am Marktplatz etwa beherbergte ab Mitte des 15. Jahrhunderts die berühmte Bibliotheca Palatina, bis diese 1623 in den Besitz des Vatikans überging. Oder die Peterskirche, die schon bald nach der Hochschulgründung 1386 als Universitätskirche diente und in der Marsilius von Inghen, der Gründungsrektor, begraben liegt.

Die historischen, noch heute von der Universität genutzten Häuser sind zwar keine Sakralbauten, jedoch ist die Geschichte einiger der bemerkenswertesten Gebäude eng mit der Gegenreformation verbunden, die im 18. Jahrhundert das geistige Klima der Universitätsstadt bestimmte. Die heutige Nutzung jener Gebäude durch Universitätseinrichtungen verdeutlicht den wechselseitigen Bezug von städtischen Strukturen und der Universität in Heidelberg. Die Hochschule war und ist die einzige Institution, die auf lange Sicht die großen Baubestände jener Zeit nutzen konnte.

Treibende Kraft der Gegenreformation in Heidelberg waren die katholischen Kurfürsten Karl Phillip und sein Großneffe, Karl Theodor. Diesen Regenten war daran gelegen, ihre protestan­tischen Stadtbürger wieder der römischen Kirche näher zu bringen. Zudem waren sie nach der Zerstörung Heidelbergs 1693 auf Partner für den Wiederaufbau von Stadt und Universität angewiesen. Für beides bot sich der Orden der Jesuiten an, dem ein großer Bereich der Heidelberger Kern­altstadt zur Verfügung gestellt wurde. In der übrigen Altstadt wurde beim Wiederaufbau das mittelalterliche Netz von Straßen, Gassen und Plätzen beibehalten. Die Jesuiten hingegen planten einen Komplex mit funktionalen Bauten, deren Grundriss und Lage sich nach ihren Aufgaben, nicht nach den überkommenen Straßenzügen richtete: Sie bauten Erziehungseinrichtungen, ein Wohnheim, Gärten und natürlich ein großes katholisches Gotteshaus, die Jesuitenkirche. Nach der Aufhebung des Ordens durch den Papst im Jahre 1773 und dem Ende der Ära der Gegenreformation galt es, dieses Areal neuen Zwecken zu öffnen - und so gingen die Gebäude schließlich nach und nach in den Besitz der Universität über.

Heute findet man dort mehrere Institute der Sprachwissenschaften und der Philosophie: unter anderem das Anglistische und das Romanische Seminar sowie das Slavische Institut. Das vielleicht schönste Gebäude jedoch - und wohl dasjenige mit der bewegtesten Geschichte - ist das "Seminarium Carolinum" in der Seminarstraße 2, heute Sitz der Zentralen Universitätsverwal­tung und von Heidelberg Alumni International. Der schlossähnliche Barockbau, 1765 fertiggestellt, war von den Jesuiten als Wohn- und Unterrichtsgebäude gebaut worden. Nach der Aufhebung des Ordens diente der Bau zunächst als sogenanntes "Irrenhaus" und später dann als "Krankenanstalt". Schließlich nutzte das Militär es bis zum Ersten Weltkrieg als Kaserne.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt das Carolinum seine bewegteste Zeit. Der erste Rektor der Universität nach ihrer Wiedereröffnung 1945, der Chirurg Karl Heinrich Bauer, regte an, in der Seminarstraße 2 ein Wohnheim für Studenten aller Fakultäten einzurichten - das "Collegium Academicum" oder "CA", wie das Gebäude bis heute oft genannt wird. Ein Wohnheim wie kein anderes: Das CA gründete auf der Idee "einer studentischen Lebens-, Arbeits- und Selbsterziehungsgemeinschaft", wie es Rektor Bauer in einer "Vorläufigen Ordnung" 1946 ausdrückte. Nach der Erfahrung von gleichgeschalteter Wissenschaft unter der nationalsozialistischen Diktatur war das CA ein Zeichen für den demokratischen Neubeginn an der Universität Heidelberg. "Selbsterziehung" bedeutete auch politische Eigenverantwortung der bis zu 185 Kollegiaten.

Wolfgang Helbing, einer der ersten Kollegiaten, erinnert sich bis heute mit Leidenschaft an seine Zeit im CA: "Es gab heiße Diskussionen um unsere Satzung und die Mitbestimmung. Genauso wichtig war uns aber auch, dass sich Kommilitonen gegenseitig in Fachgruppen beim Studium unterstützten."

Das Studium Generale, ein akademischer Gedankenaustausch über alle Fach- und Fakultätsgrenzen hinaus, spielte eine besonders wichtige Rolle. "Jeder, der da wohnte, bedeutete eine Bereicherung unseres Horizonts", erinnert sich Helbing, und dies beziehe sich nicht nur auf das Fachliche: "Das Leben im CA bedeutete Persönlichkeitsbildung - Bildung in wissenschaftlicher, aber auch in politischer und charakterlicher Hinsicht." Tatsächlich muss das CA seinerzeit eine Universität im Kleinen gewesen sein: Zur Selbstverwaltung gehörte die Organisation von Vorträgen, Arbeitsgemeinschaften, der Betrieb einer eigenen Mensa, eines Orchesters und eines Theaters: Das über Heidelberg hinaus bekannte "Theater im Gewölbe" zeigte in den fünfziger Jahren Ionesco, Beckett und Adamov, also Stücke der Avantgarde, die zu der Zeit zu modern für städtische Bühnen waren. Thornton Wilder hielt 1954 ein Kolloquium ab.

Während der Studentenbewegung in den späten sechziger und den frühen siebziger Jahren erreichte das politische Bewusstsein der Kollegiaten des CA eine neue Qualität: Die Einrichtung öffnete sich dem allgemeinen politischen Dialog und wurde zu einem Zentrum der Linken und Schauplatz zahlreicher Teach-Ins und Demonstrationen. Die anhaltenden Spannungen zwischen Rektorat und CA bewirkten letztendlich die Schließung der Institution und die Zwangsräumung des CA. Seit 1981 dient das ehemalige CA als Gebäude der Zentralen Universitätsverwal­tung. Wenige Gehminuten entfernt hat der CA-Verein, den der heutige Vorsitzende Helbing mit einigen anderen ehemaligen Kollegiaten gegründet hatte, in der Plöck 93 ein privates Wohnheim eingerichtet - um den "Lebendigen Geist" des CA weiter am Leben zu halten.

Raumnot als Bauherr

Ein wiederkehrendes gemeinsames Problem der Universität und der Stadt Heidelberg sind die beengten Raumverhältnisse. Schon Anfang des neunzehnten Jahrhunderts war die Stadt über die Grenzen der alten Stadtmauern hinausgewachsen. Aus Sicht der Stadt war es die Bevölkerungsexpansion, die eine Vergrößerung beziehungsweise die Schaffung neuen Wohnraums notwendig machte. Für die Universität bedingte die Entwicklung der Naturwissenschaften und der Medizin zu Spezialwissenschaften den Bau besonderer Gebäude: Laboratorien, Observatorien und Kliniken. In Heidelberg wächst schon zu Beginn der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in der "Vorstadt", dem Gebiet zwischen dem heutigen Universitäts- und Bismarckplatz, ein "naturwissenschaftlicher Campus". Es entstanden Institute für Anatomie und Zoologie, für Chemie, Organische Medizin und ein Gebäude für das Pharmakologische, das Mineralogische und das Physikalische Institut. Die Gebäudekomplexe trugen häufig die Namen ihrer Institutsleiter, die sich das Bauvorhaben in ihren Berufungsvertrag schrieben ließen: So hat beispielsweise das Institut für Deutsch als Fremdsprache seinen Sitz in Professor Robert Bunsens ehemaligem chemischen Institut, das heutige Psychologische Institut befindet sich in der Wirkungsstätte der Professoren Hermann von Helmholtz und Gustav Kirchhoff - klingende Namen bis heute.

Über Bergheim ...

Ein noch größeres Projekt war die Errichtung des "Academischen Krankenhauses", das ab 1869 im Stadtteil Bergheim entstand. Zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung reichten die Einrichtungen in der Altstadt, darunter die im Carolinum, nicht mehr aus. Auch der wissenschaftliche Fortschritt erforderte größere und vor allem zeitgemäße Räumlichkeiten. Die Dimen­sionen des Klinikums sind ein Spiegel des gründerzeitlichen Baubooms: In einem großräumigen Gebiet entstand eine Anlage aus etwa fünfzig Gebäuden, deren Vorbilder die wichtigsten Kliniken Europas waren. Die Anstalt war durch die "Pavillonbauweise" für ihre Zeit fortschrittlich. Doch schon um die Jahrhundertwende war dieses Baukonzept aus medizinischer Sicht überholt, die Nähe des Bahnhofs schien wegen des Lärms und der Luftverschmutzung für eine Klinik nicht akzeptabel. So begannen bereits nach wenigen Jahren erste Überlegungen zu einer Neuanlage medizinischer und naturwissenschaftlicher Einrichtungen auf der gegenüberliegenden Neckarseite.

Die Stadtplaner hatten aus den Erfahrungen in dem schon nach wenigen Jahrzehnten viel zu eng gewordenem Bergheim gelernt: Sie entschieden sich nun für einen Ort mitten im "Nirgendwo", auf den Feldern vor dem gerade entstehenden Stadtteil Neuenheim.

... nach Neuenheim

Hier, im Neuenheimer Feld, wurde während des Ersten Weltkriegs ein neuer Botanischer Garten als erste universitäre Einrichtung angelegt. Dies war nur der Anfang: Ende der zwanziger Jahre wird von der Universität in Zusammenarbeit mit dem Land ein Bebauungsplan erstellt, der die Verlegung aller Kliniken und naturwissenschaftlichen Einrichtungen ins Neuenheimer Feld vorsieht. Die Planung wird durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten unterbrochen, die den Klinikbau zu ihrem Projekt machten, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Universität zu nehmen. Die konsequente städtebauliche Verwandlung des Neuenheimer Felds zu einem Campus unter der Verantwortung der Universität begann schließlich in den Fünfziger Jahren. Zwischen 1957 und 1997 wuchs die von der Ruperto Carola genutzte Fläche auf das Fünffache, eine Entwicklung, die der Steigerung der Studierendenzahlen entspricht: Waren 1955 etwa 5000 Studierende eingeschrieben, studierten vierzig Jahre später etwa 30000 in Heidelberg.

Eines der Bauwerke der Universität in schönster Lage ist das alte Physikalische Institut am Philosophenweg. 1913 fertiggestellt, war der damals ungewöhnliche Standort auf der rechten Neckarseite ein Kompromiss aus wissenschaftlich-technischer Notwendigkeit und den Anforderungen der Lehre. Die Lage fernab vom unruhigen Stadtzentrum sollte den empfindlichen Apparaturen die nötige Ruhe verschaffen, ohne allzu weit von den in der Altstadt verbliebenen Einrichtungen entfernt zu sein. Professor Philipp Lenard, der die Errichtung des Gebäudes zur Bedingung seiner Berufung gemacht hatte, nahm wesentlichen Anteil an der Planung. Es entstand ein außergewöhnlicher Spezialbau: Nach außen hin ist er ein mächtiges Monument, im Inneren gibt es eine klare Trennung nach unterschiedlichen Funktionen: Bibliothek, Hör­saal, Laboratorien sind gezielt in eigenen Gebäudeteilen angeordnet, und die Direktorenwohnung liegt an der repräsentativen Seite hoch über dem Neckar, von der aus man auf die Stadt herunterblickt: Ein anschauliches Beispiel für die damalige Wissenschaftskultur.

Noch immer geht die Entwicklung weiter: In den letzten Jahren entstanden vielfältige neue Gebäude auf dem Campus im Neuen­heimer Feld. Dazu zählen unter anderem eine Sporthallenanlage sowie das Gästehaus der Universität, dessen Erweiterungsbau gerade fertiggestellt wird. Auch das Physikalische Institut am Philosophenweg wird bald eine andere Funktion übernehmen. Schon 2002 bezog das Kirchhoff-Institut den ersten Abschnitt für den Neubau der Physikalischen Institute im Neuenheimer Feld. Die Institute für Teilchen- und Theoretische Physik folgen.

Wie bei der Erschließung Bergheims als Klinikviertel im vorletzten Jahrhundert sind es auch heute die Klinikneubauten, die alle bisherigen Dimensionen sprengen. Im Neuenheimer Feld entsteht ein Klinikring, der die Ideen der zwanziger und fünfziger Jahre endlich Wirklichkeit werden lassen soll - alle Kliniken mit Ausnahme der Psychiatrie sollen im Neuenheimer Feld konzentriert werden. Die "Kopfklinik", in der sich unter anderem Fachbereiche wie Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, aber auch Neurologie befinden, nahm bereits in den achtziger Jahren den Betrieb auf, nun ist auch der zweite Bauabschnitt abgeschlossen. Der Aufwand für diesen war beträchtlich: Ein künstlicher Teich musste trockengelegt werden und an seiner Stelle wurde eine Baugrube ausgehoben, deren Größe der Fläche von fünf Fußballfeldern entsprach. Nun ist das größte Hochbauprojekt des Landes Baden-Württemberg fertig: Die Medizinische Universitätsklinik Heidelberg mit ihren etwa 1200 Mitarbeitern zog bis Ende Juni 2004 nach und nach aus dem Altklinikum in Bergheim in den Neubau im Neuenheimer Feld 410 um. Inzwischen wird weitergebaut: Im Dezember wurde der feierliche erste Spatenstich für den Neubau der Universitäts-Kinderklinik begangen, die 2007 bezugsfertig sein soll. Danach ist eine neue Frauenklinik geplant. Schon jetzt ist für viele Medizinstudierende das Pendeln zwischen dem Neuenheimer Feld und dem Altklinikum auf der anderen Neckarseite Vergangenheit. Auch für die Patienten bietet die Konzentration der verschiedenen Medizinischen Einrichtungen an einem Ort ein großes Plus an medizinischer Qualität und Sicherheit.

Raum für Chancen

Die Verlagerung des Klinikums hat viel Platz im Bergheimer Altklinikum geschaffen - und das eröffnet neue Chancen für die Universität und die Stadt. Die Ludolf-Krehl-Klinik wird hergerichtet für den Einzug von drei sozialwissenschaftlichen Instituten aus der Altstadt. Betroffen sind das Institut für Soziologie, für Politische Wissenschaft und die Volkswirtschaftslehre. Ute Greenier vom Dezernat 3 der zentralen Universitätsverwaltung ist mit der Planung betraut: "Langfris­tig ist der Umzug die einzige Erweiterungsmöglichkeit". Die Konzentration der drei Sozialwissenschaften in einem Gebäude soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern. Das Gebäude selbst wurde der Universität vom Eigentümer, dem Land Baden-Württemberg, zur Verfügung gestellt, für andere Teile des Altklinikums sucht das Land Inves­toren. Gedacht ist an hochwertigen Wohnungsbau oder die Ansiedlung von Dienstleistungen. So wird auch diese Veränderung der Universität nicht folgenlos für Heidelberg als Stadt bleiben: das Viertel Bergheim bekommt ein neues Gesicht.

Für den Umbau der Krehl-Klinik auf die Bedürfnisse der Sozialwissenschaftler muss die Hochschule selbst aufkommen. Nach Schätzungen des Leiters des Bauamts der Universität, Rolf Stroux, sind dazu elf Millionen Euro nötig - Geld, das aus dem Verkauf der bisherigen Institute der betroffenen Sozialwissenschaften, aber auch anderer Altstadt-Immobilien der Universität fließen wird. Einige der dort ansässigen Einrichtungen werden dann in das freiwerdende Physikalische Institut am Philosophenweg ziehen. Der lange Umzug der Universität von der Altstadt Richtung Bergheim und ans andere Neckarufer setzt sich fort, die Veränderung aus Tradition in die Zukunft geht weiter.

Gabriel A. Neumann

 


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Heidelberg, den 22. März 2005