Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Titel

Die Exzellente

Die Universität Heidelberg ist eine der herausragenden Forschungsstätten Deutschlands. Als einer von acht Hochschulorten ging Heidelberg beim Exzellenz-Wettbewerb des Bundes mit seinem Zukunftskonzept als Sieger hervor. Nun kann die Ruperto Carola mit großzügigen Fördermitteln aus der Staatskasse rechnen.

 

Die ersten Gerüchte waren bereits am Vorabend der Entscheidung aufgetaucht: Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin sowie eine große deutsche Tageszeitung wollten aus "sicherer Quelle" erfahren haben, dass laut wissenschaftlicher Gutachterkommission drei Universitäten die besten Anträge gestellt hätten: Aachen, Heidelberg, Konstanz (in alphabetischer Reihenfolge). Am nächsten Tag, etwa zwei Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe, verbreitete ein großer deutscher TV-Nachrichtensender als "breaking news", dass die an der Entscheidung beteiligten Politiker sich diesem Votum angeschlossen hätten. Und wiederum ein paar Stunden später trat schließlich ein sichtlich aufgeräumter Heidelberger Rektor Bernhard Eitel vor die Presse, um seiner Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass die Ruprecht-Karls-Universität an diesem 27. Oktober 2007 in der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern in allen drei Förderlinien erfolgreich gewesen sei - ein Erfolg, der gewissermaßen gleichbedeutend war mit dem Gewinn von drei Goldmedaillen im Finale eines millionenschweren und prestigeträchtigen Wettbewerbs, der nicht nur die deutsche Hochschullandschaft in den letzten beiden Jahren in Atem gehalten hat.

 

Der Anstoß dazu war seinerzeit von der Bundesregierung noch unter Kanzler Gerhard Schröder gekommen: Im Rahmen eines "Eliteprogramms" sollte eine kleinere Anzahl von Spitzenuniversitäten zusätzlich gefördert werden. Über die Modalitäten war man sich zunächst uneinig. Auf die Beine gestellt wurde schließlich ein Wettbewerb, bei dem deutsche Hochschulen in drei Disziplinen antreten konnten: In der ersten Förderlinie ging es um den Aufbau von Graduiertenschulen, also um groß angelegte Doktorschmieden, in denen der wissenschaftliche Nachwuchs ein auch strukturell optimales Umfeld erhalten soll; in der zweiten Disziplin warben Wissenschaftler um die Förderung von so genannten Exzellenzclustern, also Forschungsverbünden, in denen zu einem speziellen Thema international konkurrenzfähige Spitzenforschung betrieben werden soll; die Königsdisziplin aber war der Entwurf eines strategischen Zukunftskonzepts, das ausgewählten Hochschulen eine spezifische Profilierung ermöglicht. Während die Graduiertenschulen jeweils mit rund einer Million, die Exzellenzcluster mit sechs Millionen gefördert werden, spült das geförderte Zukunftskonzept rund 20 Millionen Euro jährlich in die Kassen - und das über einen Zeitraum von fünf Jahren.

 

Gerade die letztere Disziplin geriet somit in den Fokus der Öffentlichkeit, mit ihr stand und fiel neben der für deutsche Verhältnisse großen Fördersumme der inoffizielle Titel "Eliteuniversität". Und dass sich damit national und international wuchern lässt, sich manche Türen in Zukunft vielleicht noch einfacher öffnen lassen oder auch umworbene Wissenschaftler noch leichter an die eigene Universität gelockt werden können, liegt auf der Hand. Zwar wollte Rektor Bernhard Eitel bei der erwähnten Pressekonferenz hier nicht von einem Automatismus sprechen, im Grunde stimmte er aber diesem Szenario zu. Indirekt bestätigt wurde er dabei von Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner, der nach der Bekanntgabe des Ergebnisses frohlockte, dass diese "Auszeichnung" - womit er eben in erster Linie das Abschneiden in der dritten Förderlinie meinte - nicht nur "eine große Ehre" sei, sondern sie zugleich "für die Bürgerinnen und Bürger identitätsstiftend" und "für die Außenwirkung unserer Stadt ein weltweiter Imagegewinn" sein werde.

 

Wie sich das Bild doch ändern kann. Denn ein Jahr zuvor, ebenfalls im Oktober, gab es in Heidelberg nach der Bekanntgabe der Ergebnisse in der ersten von zwei Runden in diesem Wettbewerb noch lange Gesichter, herrschte Katerstimmung. Zwar hatte man gerade eine Graduiertenschule sowie einen Exzelvon der internationalen Gutachterkommission als nicht förderungswürdig eingestuft worden. "Uns ist entgegengehalten worden, Heidelberg habe für den Einsatz der Mittel die Felder nicht ausreichend benannt", erklärte seinerzeit Altrektor Peter Hommelhoff, in dessen Amtszeit die komplette Bewerbung für beide Runden des Exzellenzwettbewerbs koordiniert und hochschulpolitisch vorangetrieben worden war. Stattdessen wollte man am Neckar einen internen Wettbewerb zur Verteilung der Mittel aus der dritten Förderlinie ausschreiben und somit Hochschulautonomie auch im finanziellen Bereich demonstrieren, so wie es auch die zum Vorbild erkorenen Spitzenuniversitäten in den USA praktizieren.

 

Die vor allem durch die Ergebnisse bei der Bewilligung von Graduiertenschulen und Exzellenzclustern suggerierte Botschaft in der ersten Runde dieses Wettbewerbs lautete zudem, dass man lediglich mit Natur-, Lebens- und Ingenieurswissenschaften punkten könne. Zur Disposition stand damit letztlich auch das Prinzip einer grundlagenorientierten Volluniversität, die sich dadurch auszeichnet, dass die wichtigsten Fachbereiche, man spricht in diesem Fall auch von Wissenschaftskulturen: Lebens- und Naturwissenschaften auf der einen Seite, Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften auf der anderen Seite, an einer Hochschule breit gefächert und in hoher Qualität repräsentiert sind. Und gerade damit wollte die Ruperto Carola glänzen.

 

Nach der Niederlage in dieser dritten Disziplin im Oktober 2006 waren nun auch in Heidelberg vereinzelt kritische Stimmen zu vernehmen im Hinblick auf die zukünftige Profilierung der Universität. Manche rieten zur einer Konzentration und Fokussierung auf "starke Fächer". Klarheit brachte schließlich eine Rektoratsvorlage im Senat, die offenbar "zu den intensivsten und eindrucksvollsten Diskussionen" in der Ära Hommelhoff gehörte: "Sie fokussierte offen die Stärken und Schwächen einzelner Fächer und war dennoch von großem gegenseitigem Respekt getragen. Am Ende stand das nahezu einstimmig gefasste Bekenntnis zur Volluniversität". So kann man es nachlesen in dem gerade erschienenen Rechenschaftsbericht 2001 bis 2007 von Altrektor Hommelhoff.

 

Frei wurde damit der Weg für ein überarbeitetes Zukunftskonzept für die zweite Runde, das diesem Bekenntnis Rechnung trägt. Formuliert wurde es von einer eigens dafür geschaffenen "AG Zukunft" mit Beteiligung zahlreicher, auch externer Berater. "Heidelberg: Realising the Potential of a Comprehensive University" ist der knapp siebzigseitige Antrag betitelt, mit dem man in der zweiten Runde jetzt erfolgreich war. Aufbauend auf disziplinären Stärken sollen neue Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt werden. Neben einer "strategischen Allianz" zwischen dem hiesigen Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sticht vor allem das neu zu schaffende Marsilius Kolleg hervor, das Interdisziplinarität auf ein neues Niveau heben will. Das soll dadurch geschehen, dass man Verbindungen zwischen einzelnen Wissenschaftskulturen schafft, die es in dieser Intensität bislang nicht gab - Theologen, Soziologen, Juristen beispielsweise werden dort zusammen mit Medizinern und Biologen etwa zum Altern oder zur Menschenwürde forschen - aktuelle Reizthemen wie zukünftige Probleme bei der sozialen Absicherung, aktive und passive Sterbehilfe, Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Stammzellenforschung oder auch therapeutisches Klonen werden hierbei mit abgedeckt (lesen Sie dazu das Interview mit Professor Wolfgang Schluchter).

 

Doch auch die Erfolge in den beiden ersten Förderlinien bestätigen das Konzept Volluniversität. So wird mit dem Heidelberger Exzellenzcluster "Asia and Europe in a Global Context: Shifting Asymmetries in Cultural Flows" auch ein Forschungsverbund aus den Geistes- und Kulturwissenschaften gefördert. Im Mittelpunkt der "Heidelberg Graduate School of Mathematical and Computational Methods for the Sciences" steht wiederum die Disziplin Wissenschaftliches Rechnen, die in Heidelberg einen betont interdisziplinären Ansatz verfolgt und auch kulturwissenschaftliche Fächer integriert, so beispielsweise bei der virtuellen Rekonstruktion von Tempeln der Angkor-Kultur in Kambodscha.

 

Voll integriert sind jetzt auch die Wirtschaftswissenschaften in Heidelberg, die vor nicht allzu langer Zeit noch auf der Kippe standen. Im Rahmen eines großen Fächertauschs sollten sie an die in diesem Bereich hervorragend positionierte Universität in Mannheim wechseln. Was folgte, war ein heftiger Streit mit zum Teil bundesweiter Reichweite, der schließlich mit einem Verbleib der Wirtschaftswissenschaften an der Ruperto Carola endete - jedoch nicht in bisheriger Gestalt. Der neue Forschungs- und Lehrschwerpunkt heißt "Politische Ökonomik" und trägt dem Gedanken der Vernetzung mit anderen Fächern in Heidelberg, insbesondere mit der Politologie und der Soziologie, besondere Rechnung. Auch dieses Fach schaffte es gewissermaßen in das Zukunftskonzept und wird somit jetzt aus der Exzellenzinitiative gefördert. Für Professor Wolfgang Schluchter von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist das ein "versöhnlicher Abschluss" einer mitunter turbulenten Auseinandersetzung, in der er sich vehement für einen Verbleib der Volkswirtschaftslehre am Standort Heidelberg ausgesprochen und schließlich an der Neuausrichtung mitgewirkt hatte. "Wir haben uns dann ja auch wieder gut verstanden in der Vorbereitung der Exzellenzinitiative", erzählt er mit einem leichten Schmunzeln über den einstigen Dissens mit dem Rektorat und ist jetzt vor allem glücklich über die "positive Entwicklung".

 

Erfolgreich war diese Exzellenzinitiative aber nicht nur für die Universität Heidelberg, die dadurch an Prestige gewonnen und mithilfe der Fördergelder weiter wachsen wird - rund hundert neue Stellen wird allein der Exzellenzcluster "Asia and Europa" schaffen, wie Professor Axel Michaels, einer seiner Sprecher, verriet. Als Gewinner fühlen kann sich auch das Land Baden-Württemberg: Vier von neun "Elite-Universitäten" bundesweit kommen aus dem Ländle - neben Heidelberg erhielten auch die TU Karlsruhe (bereits in der ersten Runde) sowie die Universitäten in Freiburg und Konstanz den Zuschlag. Hinzu kommen zahlreiche Graduiertenschulen und Exzellenzcluster. "Eine solch breit aufgestellte Exzellenz gibt es sonst nirgendwo", verkündeten stolz Ministerpräsident Günther H. Oettinger und Wissenschaftsminister Peter Frankenberg. Rektor Bernhard Eitel sieht darin eindeutig die logische Konsequenz einer wissenschafts- und universitätsfreundlichen Politik.

 

Kritische Stimmen zum Exzellenzwettbwerb kamen vor allem aus dem Bereich der Studierenden, schließlich ging es bei diesem Wettbewerb allein um Forschungsförderung - die Lehre, die ihnen naturgemäß näher liegt, spielte dagegen keine Rolle. Inwiefern auch Studierende von den Millionengeldern profitieren werden, muss sich erst noch erweisen - einige sind da noch skeptisch. Immerhin wies Peter Hommelhoff, der zugleich Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist, bei der Jahresfeier der Universität Heidelberg darauf hin, dass dieses Gremium in Bonn gerade die Grundlagen einer "Qualitätsoffensive in der Lehre" vorgelegt habe. "Lehre ist ebenso wichtig wie Forschung. In den Hochschulen greift beides unmittelbar ineinander und muss im Gleichschritt verbessert werden. Wer morgen hervorragende Forscherinnen und Forscher und Führungskräfte in der Wirtschaft will, muss heute eine hohe Qualität in der akademischen Lehre sicherstellen", fügte HRK-Präsidentin Professor Margret Wintermantel bekräftigend hinzu, die ebenfalls bei der Jahresfeier in Heidelberg anwesend war. Vielleicht winkt ja also demnächst eine Exzellenzinitiative auch für den Bereich Lehre.

 

Und wie geht es mit dem forschungsbezogenen Exzellenzwettbewerb nach dem Zieleinlauf weiter? Dass der Geldzufluss für die jetzt geförderten Projekte nach fünf Jahren nicht abrupt enden, die Pforten von zahlreichen neuen Instituten nicht plötzlich wieder geschlossen und laufende Forschungsprojekte nicht einfach abgebrochen werden können, scheint den Verantwortlichen bewusst. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) haben bereits angekündigt, nach Ablauf der fünf Förderjahre die Exzellenzinitiative fortsetzen zu wollen. Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU), in dessen Verantwortungsbereich ein großer Teil der Exzellenz-Gewinner liegt, würde ein solches Vorhaben ebenfalls unterstützen. Andere Politiker wiederum könnten sich auch eine Art Bundesliga für Universitäten vorstellen, in die man auf-, aber aus der man eben auch wieder absteigen kann. Bis dahin bleibt aber noch ein wenig Zeit zur genauen Analyse. Sicher ist, dass man sich die Ergebnisse und die Auswirkungen, die dieser Wettbewerb in den nächsten Jahren mit sich bringt, genau anschauen wird. Bernhard Eitel formulierte auf der Pressekonferenz, dass man nun beweisen müsse, dass man die Mittel auch verdient habe und nun damit verantwortungsbewusst umgehe. "Die Arbeit geht jetzt los", sagte er. Und der nächste Wettbewerb kommt bestimmt.

Oliver Fink

 

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Stand: 6. Januar 2008
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