Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Titel

Neckarquerung der besonderen Art

Gespräch mit Professor Wolfgang Schluchter über das geplante Marsilius Kolleg

 

Wenn vom Zukunftskonzept "Heidelberg. Realizing the Potential of a Comprehensive University" die Rede ist, wird immer auch das Marsilius Kolleg genannt. Eine zentrale Rolle soll es bei der interdisziplinären Vernetzung der Ruperto Carola spielen. Konzipiert wurde das Kolleg in erster Linie von dem Virologen Hans-Georg Kräusslich und dem Soziologen Wolfgang Schluchter. Mit letzterem unterhielten wir uns über dieses noch aufzubauende Institut, das durch die Exzellenzinitiative finanziell ermöglicht wird.

 

Herr Professor Schluchter, was verbirgt sich hinter dem Marsilius Kolleg?

Schluchter: Dahinter steckt die Überlegung, dass es zwischen den verschiedenen Wissenschaftskulturen in Heidelberg, also zwischen den Lebens- und Naturwissenschaften auf der einen Seite und den Geistes-, Rechts- und Sozialwissenschaften auf der anderen Seite, bislang keine wirklich tragfähigen und langfristigen Forschungskooperationen gibt. Wir wollen mit dem Marsilius Kolleg ein Forum schaffen, in dem Heidelberger Forscher, ergänzt um auswärtige Forscher, über Forschungsfragen miteinander in Beziehung treten. Räumlich formuliert: Wir wollen eine intellektuelle Brücke zwischen der Altstadt und dem Neuenheimer Feld schlagen. Dies ist der Grundgedanke. Und er ist zugleich integraler Bestandteil des Konzepts einer Volluniversität der Zukunft, in der die wichtigsten Wissenschaftskulturen nicht gegeneinander isoliert bleiben dürfen.

 

Wie sieht die praktische Umsetzung aus?

Schluchter: Gedacht ist zum einen an einen Kreis von ausgewählten Personen, etwa zwölf an der Zahl, die jeweils ein Jahr am Kolleg arbeiten. Sie werden dafür aus Mitteln des Kollegs von ihren Lehrverpflichtungen teilweise freigestellt, ohne dass sie den Kontakt zu ihren Forschergruppen während dieses Jahres abbrechen müssen. Dies ist besonders wichtig für die experimentell arbeitenden Lebens- und Naturwissenschaftler, die sich sonst an einer solchen Unternehmung nicht beteiligen könnten. Daraus sollen neue, gemeinsame Forschungsprojekte entstehen. Diese können in längerfristige Forschungsprojekte von maximal drei Jahren münden. Im Antrag für die Exzellenzinitiative sind zwei solcher Projekte anvisiert, die aus bereits vorhandenen Heidelberger Kooperationen erwachsen sind. Zum einen ein Projekt zum Thema Menschenwürde, zum anderen eines zum Thema Altern.

 

Das sind gesellschaftsrelevante Themen, die derzeit auch in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden. Möchte sich das Marsilius Kolleg zukünftig in solche Debatten einschalten, womöglich Lösungskonzepte anbieten?

Schluchter: Ja und nein. Angestrebt wird nicht der reine Expertendialog, das Verharren im Elfenbeinturm. Wir wollen die Öffentlichkeit an den Projekten teilhaben lassen, beispielsweise über Vortragsreihen, Symposien und ähnlichem. Auf der anderen Seite muss betont werden, dass es sich hier in erster Linie um Grundlagenforschung handelt. Und da weiß man nie, ob sich tatsächlich schnell neue Erkenntnisse einstellen, und wenn, ob sie sich auch schnell praktisch umsetzen lassen.

 

Wo wird das Marsilius Kolleg untergebracht werden?

Schluchter: Das ist einer der Punkte, die wir derzeit zu klären versuchen. Die Universität möchte im Neuenheimer Feld an der Stelle des ehemaligen Schwesternheims einen Neubau errichten, den so genannten Marsilius Turm. Möglicherweise kann das Kolleg in mittlerer Frist dort untergebracht werden, das würde ja auch vom Namen her gut passen. Für den Übergang brauchen wir vor allem Räume für eine Geschäftsstelle. Hier kommt unter Umständen das Haus Buhl in Frage. Dies wird derzeit geprüft.

 

Apropos Marsilius. Benannt ist das Kolleg nach dem ersten Rektor der Universität Heidelberg: Marsilius von Inghen. Warum?

Schluchter: Das hatte sich eine Arbeitsgruppe ausgedacht, ehe Herr Kräusslich und ich mit der Konkretisierung und Umsetzung der Konzeption betraut wurden. Die Bennennung ist eine Reminiszenz an jene Zeit, in der die Universität Heidelberg noch eine wissenschaftliche Einheit war, ohne dass man jetzt Marsilius von Inghen als Begründer der interdisziplinären Forschung missverstehen darf - damals war die Wissenschaft eben ganz anders gestaltet als heute. Ich finde aber, der Name passt sehr gut. Er steht für die Idee einer größtmöglichen Vernetzung innerhalb der Ruperto Carola, die sich heute natürlich unter ganz anderen Rahmenbedingungen beweisen muss. Das Marsilius Kolleg wird dafür eine Struktur schaffen, die für die Weiterentwicklung der Universität Heidelberg als Volluniversität in den nächsten Jahrzehnten von zentraler Bedeutung werden dürfte.

 

Oliver Fink

 

zum Seitenanfang
Fragen oder Anregungen zu diesen Seiten: Philippe Bayer
Stand: 6. Januar 2008
Services
Nr. 19 / Winter 2007/2008
Titelseite Alumni Revue Winter 2007/2008
Weiterlesen